Warum ich die Petition fürs bedingungslose Grundeinkommen unterschrieben habe

Februar 16th, 2009

Category: action, politik, weltverbesserung

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Trotz einiger Bauchschmerzen ob der sehr lieblosen Begründung der Petition zum bedingungslosen Grundeinkommen und des sehr fragwürdigen online Petitionssystems des Bundestages habe ich dann heute doch „mitgezeichnet„. Da im Moment eine hitzige Diskussion dazu auf Twitter läuft, will ich hier kurz sagen, was mich bewog, doch zu unterschreiben:

  • Der wichtigste Grund: Mit einer Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen wird eine Diskussion in Gang gesetzt, die über die klassische Diskussion „Wie schaffen wir Vollbeschäftigung und Arbeitsplätze“ weit hinausgeht.
  • Das bedingungslose Grundeinkommen würde das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wesentlich gleichberechtigter gestalten. Der Zwang zur Arbeit um jeden Preis und zu allen Konditionen würde minimiert.
  • Staatlicher Kontrollzwang und Bürokratie im Zuge von wie auch immer gearteten Bedürftigkeitsprüfungen fiele weg.

Und in kurzer Erwiderung der häufigsten Gegenargumente:

  • Das Grundeinkommen würde man ja gar nicht umsetzen können, weil…. –
    Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde ja nicht einfach ins bestehende System implementiert werden. Es würde natürlich weitreichende Folgen haben. So wird in Deutschland durchschnittlich ein Drittel des verfügbaren Einkommens für Miete ausgegeben. Ein Drittel der bezahlten Arbeitszeit dient also der Sicherung des Wohnraum. Hier sind eine ganze Reihe anderer Modelle denkbar.
  • Das bedingungslose Grundeinkommen ist unsozial, weil auch reiche Menschen es bekommen würden.
    1. Muss man ein bedingungsloses Grundeinkommen ja nicht selber verbrauchen, wenn man es bekommt.
    2. In Deutschland verdienen nur 5% der Steuerpflichtigen mehr als 52.000 Euro, 50% der Deutschen verdienen unter 20.000 Euro im Jahr. Bei dieser Einkommensverteilung nähme ich es gerne in Kauf, wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen auch an „nicht Bedürftige“ ausgezahlt wird. (Quelle: Datenreport 2008 – EIN SOZIALBERICHT FÜR DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND)
  • Mit Konsumsteuern (EIN Modell zur Gegenfinanzierung) kann man ja gar nichts mehr steuern. –
    So wie es heute für unterschiedliche Sachen unterschiedliche Steuersätze gibt, kann man auch in Zukunft unterschiedliche Konsumsteuer-Steuersätze festlegen und über weitere staatliche Infrastrukturaufgaben entscheiden.
  • Fast alle Parteien/Politiker sind gegen das bedingungslose Grundeinkommen. Die werden schon wissen, warum. –
    Bei allen Sachargumenten gegen das Grundeinkommen:  Geld verteilen ist Macht, die dadurch bedroht wäre.
  • Warum sollte es irgendwas ohne Gegenleistung geben? –
    Weil es ein humanistischer Grundgedanke ist, Gewährung von Menschenwürde nicht von Nützlichkeit des Einzelnen abhängig zu machen.
  • Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist utopisch. –
    Utopisch denken ist nicht der schlechteste Weg, um dann realistische Ziele zu erreichen.

Wer mehr zum Thema Grundeinkommen wissen will, findet zum Bespiel im Film (online ansehbar) oder dem PDF-Begleitheft zum Film der Schweizer Initiative Grundeinkommen mehr Infos.

Pros und Contras gibt es zum Bespiel bei Tim Pritlove (Pro), Alexander Schestag (Contra), Oliver Gassner (Pro), Johnny Haeusler von Spreeblick (Contra), Telepolis (eher Pro), Kai Bojens (sehr dagegen, insbesondere mit starker „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen„-Argumentation) und beim Best-Practice-Blog (Pro).

Das Thema „Grundeinkommen“ wird übrigens nicht erst seit gestern diskutiert. Wer sich wirklich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen will, dem sei das Archiv Grundeinkommen ans Herz gelegt.

Und wer jetzt unterschreiben will, kann das online im Petitionssystem des Bundestages tun.

Nachtrag: Maschinen nehmen uns die Arbeit weg. Endlich.

Nachträge 17.2.:
Sehr schöner Beitrag jetzt auch bei mspro, der sich vor allem mit der möglichen Motivation der Gegner des Grundeinkommens beschäftigt.

Sehr lesenswert sind die Gedanken zum Grundeinkommen von limone.de – wie würde es in einer Welt mit Grundeinkommen aussehen?

6 comments

  • Hallo,

    Du schreibst bei Pro Grundeinkommen:
    „Der Zwang zur Arbeit um jeden Preis und zu allen Konditionen würde minimiert.“

    Genau den Punkt sehe ich als sehr große Gefahr. Ich wette da werden einige die jetzt über dem Grundeinkommen liegen werden sagen: „Wieso sollte ich dafür arbeiten gehen, 1500 reichen“ und bleiben daheim. Auch wenn deren deren Gehalt in Relation zur Arbeit gerecht ist.

    Gruss
    Rüdiger

  • sebastian sagt:

    Hallo Rüdiger,

    damit hätte ich kein Problem. Kein Zwang zur Arbeit würde dann eben auch mal „gar nicht arbeiten“ heißen. Hätte ich persönlich kein Problem mit.

    Die Grundeinkommensbefürworter vertreten wohl mehrheitlich die These, dass Menschen sowieso „arbeiten“ wollen. http://www.waswuerdensietun.de/ ist so eine Website dazu.

    Solche Überlegungen führen natürlich sehr schnell zur Grundfrage „was ist (gute) Arbeit“? ich bin zB nicht der Meinung, dass dann alle „ehrenamtlich“ tätig werden sollten.

    Die Entkopplung von (existenzsicherndem) Einkommen und Lohnarbeit finde ich aber natürlich auch den zentralen Punkt bei der Diskussion um Grundeinkommen.

    Gruss
    Sebastian

  • Tim R. Giese sagt:

    Erinnert mich ein wenig an die Frage: „Was würden Sie tun, wenn Sie den Jackpot gewinnen?“

    Und viele Deutsche antworten in den Urlaub fahren und weiterarbeiten. Hier und da noch eine Anschaffung von Sachen, die man sich seit Jahren wünscht und nicht leisten konnte. Ich glaube die meisten werden auf dem Teppisch bleiben.

    Übrigens nach dem Konzept des Grundeinkommens ist nicht der ein Schmarotzer, der Geld bekommt ohne zu arbeiten, sondern derjenige, der sein Geld nicht wieder ausgibt. 😉

  • limone sagt:

    da stimme ich tim zu. das geld würde ja sofort wieder in die wirtschaft fließen, zum horten reicht das grundeinkommen nicht. und die probleme, die wir jetzt haben, kommen nicht zuletzt vom horten und vom zinswahnsinn. grundeinkommen könnte ein weg sein, geld wieder etwas gleichmäßiger zu verteilen und damit der gesamtwirtschaft zu nutzen. der gesamtwirtschaft nutzt es nämlich nicht, wenn von wenigen ein paar exorbitant teure luxusgüter nachgefragt werden und die mehrheit sich nichts mehr leisten kann.

  • oliverg sagt:

    Moin, danke für Backlink und dei Hiwneise auf Limone (die ich zwar in der Blogroll habe, aber de Blogroll ist zu voll) und mspro.

    Next action:
    – Kreativität freisetzen
    – Verhindern, dass die ‚Pols‘ das schöne Konzept jetzt verhunzen (selbst Parteien, denen ich nahe stehe sagen sowas wie ‚800 Grudneinkommen und davon 500 KV bezahlen‘)
    – also: in die Hände gespruckt
    – Vorschlag: jeder fragt auf seinem Blog die Leute, welche Projekte sie angehen würden mit 1500 ‚Puffer‘

  • caipi sagt:

    ePetition pro bedingungsloses Grundeinkommen – noch bis 17.2….

    Die Frist für die ePetition auf bundestag.de für das bedingungslose Grundeinkommen wurde bis zum 17.2. verlängert:
    Reformvorschläge in der Sozialversicherung – Bedingungsloses Grundeinkommen vom 10.12.2008
    Über die detaillierte…